++++++++++++++ ACHTUNG! IRRE VIEL TEXT! ++++++++++++++++
Seit einiger Zeit beschäftigt mich ein Thema, das ich jetzt mal versuchen möchte, in Textform festzuhalten. Der Titel sagt es schon – es geht um Gewalt im Sinne von dem eigenen Hund zugefügten Schäden, unabhängig davon, ob sie physischer oder psychischer Natur sind. Ich werde vermeiden zu beschreiben, wie ich es halte, aus Gründen, die ich noch anspreche. Was mich aber seit jeher an den gelesenen Argumentationen stört, ist, dass sie oftmals parolenartig und indifferent sind – und inkonsequent angewandt werden. Ich nenne ein aktuelles Beispiel, weil es mir gerade im Gedächtnis ist: An der Leine rucken (dieses Rucken bleibt undefiniert) ist Tierquälerei, aber einen losrennenden Hund aus Erziehungsgründen in die Leine knallen zu lassen, wird grundsätzlich akzeptiert.
Tabuisierung und ‚Hexenverfolgung‘ anstatt konstruktiver Ratschläge
Der Grund, warum ich diesen Thread eröffne, ist, dass ich Gewalt für ein extrem wichtiges Thema halte. Und damit meine ich nicht, dass einer „Hexe!“ schreit und andere zustimmend „Verbrennen!“ rufen. Gewalt ist im weitesten Sinne ein Ausdruck von Hilflosigkeit gegenüber dem Hund, die entsteht, wenn der Halter Kontrollverlust fürchtet und Macht fordert (wenn man pathologische Ursachen einmal ausgrenzt, bei der Gewalt z.B. Glücksgefühle verursacht). Wenn ich also davon ausgehe, dass dem eigenen Hund aus Hilflosigkeit Gewalt angetan wird, dann ist es umso wichtiger, aufklärend und Alternativen bietend darüber zu sprechen, anstatt mit dem Finger zu zeigen. Oftmals beruht das Handeln beider Seiten meines Erachtens auf Unverständnis… und das hier ist mein Aufruf, den Hilflosen nicht die Tür vor dem Gesicht zuzuschlagen und das Thema ‚Gewalt‘ so mehr und mehr zu tabuisieren, sondern sich anstatt dessen – wie bei so vielen anderen Themen auch – die Zeit zu nehmen, Alternativen aufzuzeigen.
Körperliche und psychische Gewalt
Was ist Gewalt? „Unter den Begriff Gewalt (…) fallen Handlungen, Vorgänge und Szenarien, in denen bzw. durch die auf Menschen, Tiere oder Gegenstände beeinflussend, verändernd und/oder schädigend eingewirkt wird.“ (Quelle: Wikipedia ‚Gewalt‘) Wer diese Definition aufmerksam liest, dem fällt auf, dass nur ein Teil davon wirklich negativ behaftet ist. Im Grunde ist jeder Befehl, den wir an den Hund richten, Gewalt. Was aber zur Kritik steht, ist jene Gewalt, die dem Hund schadet. Jetzt muss man sich allerdings überlegen, was dem Hund tatsächlich schadet – und das ist gar nicht so einfach, wenn man bedenkt, dass man auch einem Hund nicht nur körperlich, sondern auch ‚seelisch‘ schaden kann. Das Problem an dieser Diskussion ist nämlich, dass der Hund nicht zum Interview bereitsteht und nicht immer kommunizieren kann, woran er leidet.
Hier einmal ein paar Beispiele, die aus meiner Sicht Grenzbereiche beinhalten:
- Eine Hunderasse wurde über Dekaden körperlich und vom Wesen her darauf gezüchtet zu jagen. Sein Verhalten, sein Trieb und deswegen auch seine Bedürfnisse richten sich in einem gewissen Mass danach. Übt der Halter psychische Gewalt aus, wenn er diese Hunderasse hält, aber nicht für die Jagd nutzt?
- Einige Rassen und Farbschläge bedingen physiologische Einschränkungen, die beim Individuum zu Krankheit oder Tod führen können. Dennoch werden diese Rassen / Farben offiziell unterstützt und die Haltung gut geheissen.
- Hundesportarten, die extreme Belastungen der Gelenke und der Psyche aufgrund von Druck und Stress bedeuten, lassen einen weiten Spielraum, wenn die Motivation des Halters (früher oder später) nicht die der gesunden Bewegung und Beschäftigung des Hundes ist, sondern, wenn auch unbewusst, rein egoistische Ziele wie Anerkennung und Bestätigung verfolgt.
- Erziehungsmethoden und Verhaltensweisen des Menschen, die in keinem Verhältnis zu der Natur des Hundes stehen, wie z.B. stundenlanges Ignorieren oder Partnerersatz im Sinne von einschränkendem Insistieren auf körperlicher Nähe.
Unterschiedliche Rassen und ihr Verhalten
Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, der laut meiner Beobachtung oft nicht in die Argumentation mit einbezogen wird: Hunderassen wurden für ganz unterschiedliche Zwecke gezüchtet und ihre Kommunikation unterscheidet sich deswegen nicht nur aufgrund ihrer körperlichen Möglichkeiten, sondern auch aufgrund der herausgezüchteten Eigenschaften. Ein Havaneser drückt sich nicht so körperbetont aus wie das andere Extrem, das mir selbst bekannt ist, der Malinois. Dann gibt es natürlich auch noch den individuellen Charakter eines Hundes: Der eine wird aufmerksam, wenn des Halters Stimme lauter wird – bei dem anderen gehen die Alarmglocken an, wenn die Stimme das Halters leise wird. Der eine wird unruhig, wenn ihm weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird, der andere nutzt den neuen Freiraum in einem gewissen Rahmen. Der Mensch ist also dazu angehalten, seine kommunikativen Mittel auf den Hund als Individuum anzuwenden – und nicht pauschal jeden Hund über einen Kamm zu scheren.
Und dann gibt es noch eine Facette, die viele vergessen… eine Mensch-Hund-Beziehung ist artübergreifend und nicht mit einer Hund-Hund-Beziehung vergleichbar. Wir finden es normal, dass sich ein Hund an das unterschiedliche Verhalten einer Katze gewöhnen kann, aber es fällt uns schwer zu begreifen, dass für einen Hund das Gleiche gilt, wenn es um seinen Halter geht. So wie wir erwarten, dass er Befehle wie ‚Sitz‘, ‚Platz‘ und ‚Aus‘ versteht, versucht er auch, unsere Handlungen (auch die aggressiven) zu verstehen. Mehr noch – ein Hund lernt sehr gut, nicht nur unser äusseres Handeln zu interpretieren, sondern er erkennt auch die Signale, die wir unbewusst aussenden. Es ist ja nicht so, als verfügten wir nicht ebenfalls über eine ganze Palette von rein körperlichen Kommunikationsmitteln. Für ihn ist das eine logische Vorgehensweise und für den Halter sollte sie eigentlich ebenfalls zwingend sein, denn nur wer seinen Hund versteht, kann mit ihm angemessen umgehen.
Wenn ein Halter seinem Hund also reflexartig vor die Schnauze schlägt, weil der in einem unbeobachteten Moment versucht, an den Schinkentoast zu kommen, dann handelt der Mensch nicht gewalttätig – weswegen der Schnauzenschlag auch nicht mit bewusstem Krafteinsatz einher geht – und der Hund interpretiert es auch nicht so. Er erkennt menschliche Aggression, die dem Halter zusteht, wenn er seine Ressourcen verteidigt.
Aggressive Handlungen ausserhalb eines angemessenen Kontextes
Problematisch sind allerdings aggressive Handlungen, die ausserhalb eines für den Hund erkennbaren Kontextes passieren. Aggression wird dann zu Gewalt, wenn der Hund Schaden trägt, weil er nicht aus der Aktion lernen kann oder sie verstehen kann. Dieses Prinzip gilt allerdings nicht nur für Aggression, sondern im Grunde für alle Verhaltensweisen des Halters, die innerhalb der einfachen Strukturen eines Hundelebens nicht verständlich sind.
Im Hunde-Verständnis folgt auf eine Aktion eine Reaktion. Kurz danach folgt eine neue Aktion, auf die wieder eine Reaktion erwartet oder gefordert wird. Reagiert der Halter nun auf eine bereits vergangene Aktion, fehlt dem Hund der Zusammenhang. Das mag im Normalfall nicht schlimm und nur verwirrend für den Hund sein – wenn es aber um negative Erfahrungen geht, überschreitet man schnell die Schwelle von einer natürlichen Aggression zu einer Gewalttat, die dem Hund schaden kann.
Das obige Szenario klingt nach einer logischen Abfolge. Für den Menschen mag das noch nachvollziehbar sein, für den Hund ist es das nicht. Inkonsequenz im Alltag führt oft dazu, dass im Ernstfall nicht funktioniert, was funktionieren sollte. Wer seinen Hund immer auf die Couch lässt und sie nicht als Ressource deklariert, die nur der Halter vergeben kann, der kann von seinem Hund auch nicht erwarten, dass er die Couch freigibt, wenn Besuch im Haus ist. Wer dann versucht, mit aller Macht das vermeintliche, aber nie kommunizierte Recht durchzusetzen, stellt den Hund vor ein unlösbares Rätsel.
Kontextbezogene, aber unverhältnismässige Aggression
Mindestens so häufig wie kontextlose Aggression gibt es unverhältnismässige Aggression. Als unverhältnismässige Aggression würde ich Situationen beschreiben, in denen der Halter aus Hilflosigkeit zu extremen Maßnahmen greift, um den Hund zu kontrollieren. In den meisten Fällen erwartet er zu viel von seinem Hund (z.B. im Fuss laufen, ohne dass es ordentlich aufgebaut und trainiert, bestätigt und gefördert wird) oder greift ob der Wirkungslosigkeit bisher ergriffener Maßnahmen zu einem mächtigeren, aber unangemessenem Mittel, um Kontrolle zu erlangen.
Der Hund riecht etwas Spannendes, der Abruf klappt erst nach geraumer Zeit und aus der Wut heraus ignoriert der Halter seinen Hund über längere Zeit. Zwar versteht der Hund, warum er aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wird, aber die Reaktion auf seine Aktion ist unnachvollziehbar hart und kann dazu führen, dass der Hund bei jedem Abruf unverhältnismässigen Stress empfindet. Psychische Gewalt… die auf Dauer schädigend wirken kann.
Eine unerfahrene Hundehalterin bekommt ihre quirlige elf Monate alte Cocker Hündin nicht dazu, nicht an Menschen hochzuspringen. Anfangs hat sie es nicht verboten, dann schien es wichtig, aufgebaut wurde es nicht. Nachdem wochenlanges ‚Lass das‘-Flöten keinen Erfolg brachte, folgt nun eine mit Kieseln gefüllte PET-Flasche, die zur Strafe neben den Hund geworfen wird. Leider kann die Frau nicht gut zielen und trifft mit der recht schweren Flasche immer wieder ihren Hund. Der Hund gehorcht jetzt, aber praktisch jede Bewegung der Frau löst bei dem Hund Unruhe aus, denn er kann nicht verstehen, weshalb eine Begrüssung jetzt eine derartige Reaktion auslöst und passt sein Verhalten aus Misstrauen auch in anderen Situationen an.
Seit einiger Zeit beschäftigt mich ein Thema, das ich jetzt mal versuchen möchte, in Textform festzuhalten. Der Titel sagt es schon – es geht um Gewalt im Sinne von dem eigenen Hund zugefügten Schäden, unabhängig davon, ob sie physischer oder psychischer Natur sind. Ich werde vermeiden zu beschreiben, wie ich es halte, aus Gründen, die ich noch anspreche. Was mich aber seit jeher an den gelesenen Argumentationen stört, ist, dass sie oftmals parolenartig und indifferent sind – und inkonsequent angewandt werden. Ich nenne ein aktuelles Beispiel, weil es mir gerade im Gedächtnis ist: An der Leine rucken (dieses Rucken bleibt undefiniert) ist Tierquälerei, aber einen losrennenden Hund aus Erziehungsgründen in die Leine knallen zu lassen, wird grundsätzlich akzeptiert.
Tabuisierung und ‚Hexenverfolgung‘ anstatt konstruktiver Ratschläge
Der Grund, warum ich diesen Thread eröffne, ist, dass ich Gewalt für ein extrem wichtiges Thema halte. Und damit meine ich nicht, dass einer „Hexe!“ schreit und andere zustimmend „Verbrennen!“ rufen. Gewalt ist im weitesten Sinne ein Ausdruck von Hilflosigkeit gegenüber dem Hund, die entsteht, wenn der Halter Kontrollverlust fürchtet und Macht fordert (wenn man pathologische Ursachen einmal ausgrenzt, bei der Gewalt z.B. Glücksgefühle verursacht). Wenn ich also davon ausgehe, dass dem eigenen Hund aus Hilflosigkeit Gewalt angetan wird, dann ist es umso wichtiger, aufklärend und Alternativen bietend darüber zu sprechen, anstatt mit dem Finger zu zeigen. Oftmals beruht das Handeln beider Seiten meines Erachtens auf Unverständnis… und das hier ist mein Aufruf, den Hilflosen nicht die Tür vor dem Gesicht zuzuschlagen und das Thema ‚Gewalt‘ so mehr und mehr zu tabuisieren, sondern sich anstatt dessen – wie bei so vielen anderen Themen auch – die Zeit zu nehmen, Alternativen aufzuzeigen.
Körperliche und psychische Gewalt
Was ist Gewalt? „Unter den Begriff Gewalt (…) fallen Handlungen, Vorgänge und Szenarien, in denen bzw. durch die auf Menschen, Tiere oder Gegenstände beeinflussend, verändernd und/oder schädigend eingewirkt wird.“ (Quelle: Wikipedia ‚Gewalt‘) Wer diese Definition aufmerksam liest, dem fällt auf, dass nur ein Teil davon wirklich negativ behaftet ist. Im Grunde ist jeder Befehl, den wir an den Hund richten, Gewalt. Was aber zur Kritik steht, ist jene Gewalt, die dem Hund schadet. Jetzt muss man sich allerdings überlegen, was dem Hund tatsächlich schadet – und das ist gar nicht so einfach, wenn man bedenkt, dass man auch einem Hund nicht nur körperlich, sondern auch ‚seelisch‘ schaden kann. Das Problem an dieser Diskussion ist nämlich, dass der Hund nicht zum Interview bereitsteht und nicht immer kommunizieren kann, woran er leidet.
Hier einmal ein paar Beispiele, die aus meiner Sicht Grenzbereiche beinhalten:
- Eine Hunderasse wurde über Dekaden körperlich und vom Wesen her darauf gezüchtet zu jagen. Sein Verhalten, sein Trieb und deswegen auch seine Bedürfnisse richten sich in einem gewissen Mass danach. Übt der Halter psychische Gewalt aus, wenn er diese Hunderasse hält, aber nicht für die Jagd nutzt?
- Einige Rassen und Farbschläge bedingen physiologische Einschränkungen, die beim Individuum zu Krankheit oder Tod führen können. Dennoch werden diese Rassen / Farben offiziell unterstützt und die Haltung gut geheissen.
- Hundesportarten, die extreme Belastungen der Gelenke und der Psyche aufgrund von Druck und Stress bedeuten, lassen einen weiten Spielraum, wenn die Motivation des Halters (früher oder später) nicht die der gesunden Bewegung und Beschäftigung des Hundes ist, sondern, wenn auch unbewusst, rein egoistische Ziele wie Anerkennung und Bestätigung verfolgt.
- Erziehungsmethoden und Verhaltensweisen des Menschen, die in keinem Verhältnis zu der Natur des Hundes stehen, wie z.B. stundenlanges Ignorieren oder Partnerersatz im Sinne von einschränkendem Insistieren auf körperlicher Nähe.
Unterschiedliche Rassen und ihr Verhalten
Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, der laut meiner Beobachtung oft nicht in die Argumentation mit einbezogen wird: Hunderassen wurden für ganz unterschiedliche Zwecke gezüchtet und ihre Kommunikation unterscheidet sich deswegen nicht nur aufgrund ihrer körperlichen Möglichkeiten, sondern auch aufgrund der herausgezüchteten Eigenschaften. Ein Havaneser drückt sich nicht so körperbetont aus wie das andere Extrem, das mir selbst bekannt ist, der Malinois. Dann gibt es natürlich auch noch den individuellen Charakter eines Hundes: Der eine wird aufmerksam, wenn des Halters Stimme lauter wird – bei dem anderen gehen die Alarmglocken an, wenn die Stimme das Halters leise wird. Der eine wird unruhig, wenn ihm weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird, der andere nutzt den neuen Freiraum in einem gewissen Rahmen. Der Mensch ist also dazu angehalten, seine kommunikativen Mittel auf den Hund als Individuum anzuwenden – und nicht pauschal jeden Hund über einen Kamm zu scheren.
Und dann gibt es noch eine Facette, die viele vergessen… eine Mensch-Hund-Beziehung ist artübergreifend und nicht mit einer Hund-Hund-Beziehung vergleichbar. Wir finden es normal, dass sich ein Hund an das unterschiedliche Verhalten einer Katze gewöhnen kann, aber es fällt uns schwer zu begreifen, dass für einen Hund das Gleiche gilt, wenn es um seinen Halter geht. So wie wir erwarten, dass er Befehle wie ‚Sitz‘, ‚Platz‘ und ‚Aus‘ versteht, versucht er auch, unsere Handlungen (auch die aggressiven) zu verstehen. Mehr noch – ein Hund lernt sehr gut, nicht nur unser äusseres Handeln zu interpretieren, sondern er erkennt auch die Signale, die wir unbewusst aussenden. Es ist ja nicht so, als verfügten wir nicht ebenfalls über eine ganze Palette von rein körperlichen Kommunikationsmitteln. Für ihn ist das eine logische Vorgehensweise und für den Halter sollte sie eigentlich ebenfalls zwingend sein, denn nur wer seinen Hund versteht, kann mit ihm angemessen umgehen.
Wenn ein Halter seinem Hund also reflexartig vor die Schnauze schlägt, weil der in einem unbeobachteten Moment versucht, an den Schinkentoast zu kommen, dann handelt der Mensch nicht gewalttätig – weswegen der Schnauzenschlag auch nicht mit bewusstem Krafteinsatz einher geht – und der Hund interpretiert es auch nicht so. Er erkennt menschliche Aggression, die dem Halter zusteht, wenn er seine Ressourcen verteidigt.
Aggressive Handlungen ausserhalb eines angemessenen Kontextes
Problematisch sind allerdings aggressive Handlungen, die ausserhalb eines für den Hund erkennbaren Kontextes passieren. Aggression wird dann zu Gewalt, wenn der Hund Schaden trägt, weil er nicht aus der Aktion lernen kann oder sie verstehen kann. Dieses Prinzip gilt allerdings nicht nur für Aggression, sondern im Grunde für alle Verhaltensweisen des Halters, die innerhalb der einfachen Strukturen eines Hundelebens nicht verständlich sind.
Im Hunde-Verständnis folgt auf eine Aktion eine Reaktion. Kurz danach folgt eine neue Aktion, auf die wieder eine Reaktion erwartet oder gefordert wird. Reagiert der Halter nun auf eine bereits vergangene Aktion, fehlt dem Hund der Zusammenhang. Das mag im Normalfall nicht schlimm und nur verwirrend für den Hund sein – wenn es aber um negative Erfahrungen geht, überschreitet man schnell die Schwelle von einer natürlichen Aggression zu einer Gewalttat, die dem Hund schaden kann.
Das obige Szenario klingt nach einer logischen Abfolge. Für den Menschen mag das noch nachvollziehbar sein, für den Hund ist es das nicht. Inkonsequenz im Alltag führt oft dazu, dass im Ernstfall nicht funktioniert, was funktionieren sollte. Wer seinen Hund immer auf die Couch lässt und sie nicht als Ressource deklariert, die nur der Halter vergeben kann, der kann von seinem Hund auch nicht erwarten, dass er die Couch freigibt, wenn Besuch im Haus ist. Wer dann versucht, mit aller Macht das vermeintliche, aber nie kommunizierte Recht durchzusetzen, stellt den Hund vor ein unlösbares Rätsel.
Kontextbezogene, aber unverhältnismässige Aggression
Mindestens so häufig wie kontextlose Aggression gibt es unverhältnismässige Aggression. Als unverhältnismässige Aggression würde ich Situationen beschreiben, in denen der Halter aus Hilflosigkeit zu extremen Maßnahmen greift, um den Hund zu kontrollieren. In den meisten Fällen erwartet er zu viel von seinem Hund (z.B. im Fuss laufen, ohne dass es ordentlich aufgebaut und trainiert, bestätigt und gefördert wird) oder greift ob der Wirkungslosigkeit bisher ergriffener Maßnahmen zu einem mächtigeren, aber unangemessenem Mittel, um Kontrolle zu erlangen.
Der Hund riecht etwas Spannendes, der Abruf klappt erst nach geraumer Zeit und aus der Wut heraus ignoriert der Halter seinen Hund über längere Zeit. Zwar versteht der Hund, warum er aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wird, aber die Reaktion auf seine Aktion ist unnachvollziehbar hart und kann dazu führen, dass der Hund bei jedem Abruf unverhältnismässigen Stress empfindet. Psychische Gewalt… die auf Dauer schädigend wirken kann.
Eine unerfahrene Hundehalterin bekommt ihre quirlige elf Monate alte Cocker Hündin nicht dazu, nicht an Menschen hochzuspringen. Anfangs hat sie es nicht verboten, dann schien es wichtig, aufgebaut wurde es nicht. Nachdem wochenlanges ‚Lass das‘-Flöten keinen Erfolg brachte, folgt nun eine mit Kieseln gefüllte PET-Flasche, die zur Strafe neben den Hund geworfen wird. Leider kann die Frau nicht gut zielen und trifft mit der recht schweren Flasche immer wieder ihren Hund. Der Hund gehorcht jetzt, aber praktisch jede Bewegung der Frau löst bei dem Hund Unruhe aus, denn er kann nicht verstehen, weshalb eine Begrüssung jetzt eine derartige Reaktion auslöst und passt sein Verhalten aus Misstrauen auch in anderen Situationen an.
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