Welpen sollen keine Treppen laufen! Wirklich?

Berni

Erfahrener Benutzer
09. Sep. 2011
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In der NZZ-online entdeckt:
http://hundekunde.blog.nzz.ch/2015/01/1 ... en-laufen/
Hier der Bericht (falls der Artikel mal nicht mehr online verfügbar ist)

In jedem Welpenratgeber, in jedem Forum und auch von Tierärzten und Züchtern wird empfohlen, einen Welpen die ersten Monate lang die Treppen rauf und runter zu tragen. Ich habe mich schon länger gefragt, auf welcher Grundlage diese Empfehlung eigentlich basiert.

Prof. Dr. Fischer, Inhaber des Lehrstuhls für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Autor des Buches “Hunde in Bewegung” hat dazu einen sehr lesenswerten Text verfasst.

Ich danke Herrn Prof. Dr. Fischer herzlich für die freundliche Genehmigung, diesen Text veröffentlichen zu dürfen.

Muss ich Welpen die Treppe rauf und runter tragen
Prof. Dr. Martin S. Fischer, M.S. 2012
 in Gkf Info 36: 27-29

Vor kurzem wurde ich gefragt, wie lange ich meine Kinder eigentlich die Treppe noch rauf und runter tragen werde. Ich antwortete, dass ich dies bis zur Verknöcherung der Wachstumsfugen also bei Mädchen und Jungen etwas unterschiedlich bis zum 16.-19. Lebensjahr tun würde, dann sei ja schließlich das Skelett erst ausgreift. Vor allen Dingen das späte Ausreifen des Oberschenkels erlaube hier keine Kompromisse!
Selbstverständlich habe ich auch alle meine Welpen das erste Jahr die Treppe rauf und runter getragen. Zugegebenermaßen habe ich seit Jahren starke Rückenschmerzen, aber was tut der Mensch nicht alles für seine Lieben. Beim Hund habe ich in etwa 1083 blogs zudem gelesen, dass seine Muskeln erst spät ausreifen, zwar kann ich mir unter „Muskelreifung“ nichts vorstellen, aber sicher diejenigen, die es im Internet geschrieben haben.

Richards und Koautoren haben 2010 einen interessanten Aufsatz veröffentlicht, der einmal mehr zeigt, wie gefährlich es ist, von sich (Mensch) auf andere (hier Hund) zu schließen. Während beim Menschen der Hauptbewegungsumfang beim Treppensteigen im Knie- und Hüftgelenk auftritt, löst der Hund dieses Problem durch eine erhöhte Bewegung (vor allem Dorsalflexion) im Sprunggelenk. Futsch alle Überlegungen zur Schonung des Hüftgelenkes von Hunden beim Treppentragen. Aber Hand auf’s Herz, kennen Sie viele Hunde, bei denen durch ihre treppensteigende Jugend später Beschwerden im Sprunggelenk auftreten oder musste dies nicht erklärt werden.

Eine Bemerkung zum Wachstum: der Zeitpunkt des Wachstumsendes ist selbst bei Wurfgeschwistern sehr unterschiedlich. Schon vor 50 Jahren hat Weise gezeigt, dass nach 166 Tagen das erste Wurfgeschwister ausgewachsen war, aber erst nach 220 Tagen das letzte. Allerdings war der Hund, der die längste Wachstumsphase aufwies, nicht das größte Tier, dieses war bereits mit 177 Tagen ausgewachsen. Die Dauer des Wachstums ist also nicht der entscheidende Faktor für die Größe eines Hundes.

Eine Bemerkung zur Muskelreifung: Bei neugeborenen Welpen sind 90-95 Prozent der Muskelfasern noch undifferenziert. Die wenigen, schon differenzierten Fasern sind sehr große rote Fasern, die nach vier bis fünf Wochen wieder verschwinden. Bis zur vierten Woche ist eine allmähliche Differenzierung der Fasern erkennbar, und es treten die üblichen roten und weißen Fasern auf. Bis zur zwölften Woche ist dann das Verteilungsmuster des erwachsenen Hundes vorhanden. Die Entwicklungszeit der Muskelfasern ist in den verschiedenen Muskeln nahezu gleich. Es stimmt nicht, dass Welpen viele weiße Fasern und adulte Hunde viele rote Fasern besitzen und dass die Muskelreifung bis zu einem Jahr dauert.

Eine Bemerkung zur Stoßbelastung: Beim Galopp, beim Kurvenrennen, beim Springen und in einer Vielzahl von anderen Belastungssituationen treten Kräfte auf, die ein mehrfaches des Körpergewichtes betragen können. Prieur (1980) hat bei einer mäßigen Geschwindigkeit von 7 km/h bei einem 30 kg schweren Hund bereits eine Belastung des Hüftgelenkes gemessen, die das Sechsfache des Körpergewichtes betrug. Gleichzeitig wird beim Vierfachen des Körpergewichtes nur 55 Prozent der Gelenkfläche am Oberschenkelkopf ausgenutzt (Lieser 2003). Der Körper des Hundes und seine Gelenke sind darauf eingerichtet, auch ungewöhnliche Kraftspitzen abzufangen.

Wenn ich hier die Meinungen zum Treppensteigen von jungen Hunden hinterfrage, dann ist selbstverständlich klar, dass es für den Hund nicht anderweitig gefährdende Situation geben kann. Eine glatte, offene Treppe, auf der ein Hund – auch wenn er schon älter ist – stürzen kann ist wie jede traumatische Situation zu vermeiden. In unserem Buch „Hunde in Bewegung“ haben wir im Vorwort geschrieben: „Wenn das Wissen unzureichend ist, bilden sich Meinungen.“ Leider gibt es keine einzige Studie, welche den Einfluss des Treppensteigens bzw. Treppentragens auf die spätere Entwicklung des Bewegungsapparates des Hundes untersucht hat, wir können also den vielen Meinungen kein gesichertes Wissen entgegenhalten, aber umgekehrt, beruhen auch die Meinungen nicht auf irgendeinem haltbaren Befund. Es kann also jeder selber entscheiden, wie er es mit dem Treppentragen seines Hundes hält, aber andere belehren darf er nicht – und es gibt auch die „fürsorgliche Belagerung“ (Heinrich Böll). Mit anderen Worten, Fürsorge ist in Ordnung, man kann sie aber auch trefflich übertreiben!

Referenzen:
M.S. FISCHER & LILJE, K. (2011): Hunde in Bewegung. Verlag VDH und Kosmos.

LIESER B. (2003): Morphologische und biomechanische Eigenschaften des Hüftgelenks (Articulatio coxae) des Hundes (Canis familiaris). Diss.med.vet. Veterinärmedizinische Fakultät, Ludwig-Maximilians-Universität München.

PRIEUR W. D. (1980): Coxarthrosis in the dog part I: Normal and abnormal biomechanics of the hip joint. Vet. Surg. 9, 145-149.

J. RICHARDS, P. HOLLER, B. BOCKSTAHLER, B. DALE, M. MUELLER, J. BURSTON, J. SELFE and D. LEVINE (2010): A comparison of human and canine kinematics during level walking, stair ascent, and stair descent. Wien. Tierärztl. Mschr. – Vet. Med. Austria 97 (2010), 92 – 100.


 
Find ich einen super Artikel.

Ich selber habe vor ner Weile mit einer Doggenhalterin darüber gesprichen und mir blieb besonders ein Satz in erinnerung.

Der Hund soll nicht nicht-treppenlaufen sondern bewusst treppenlaufen.

Passt zur Aussage des Artikels. :)

 
Ich als Doggenhalterin habe immer darauf geachtet, dass der Hund die Treppen nicht rauf und runter saut.
Treppenlaufen muss ein junger Hund ja lernen, aber eben, kontrolliert.
Ich muss aber auch sagen, dass ich nicht so wahnsinnig viele Stufen habe. Bei Enes war es einfach zu gefährlich, da er ja nicht normal

raus gehen konnte, sondern wie ein Berserker die Treppen bis zur Wiese runter rasen wollte.
Puppette wurde auch ne Zeit lang runtergetragen, wegen der Belastung der Vorhand (Bulldogge).

Ich denke zwar nicht, dass man feststellen kann, wie weit viel Treppenlauferei bei einer Erkrankung einen negativen Einfluss hatte, aber ganz

ausschliessen möchte ich es auch nicht.
Aber ein paar Treppenstufen, werden wohl kaum ein Problem sein.

 
Mir hat mein TA schon vor 71/2 Jahren, als Labilein einzog gesagt, dass ich sie unbedingt KONTROLLIERT Treppen laufen lassen soll. Deshalb kamen an die Treppen Absperrgitter und  sie durfte gezielt Treppen rauf und runter laufen an der Leine und wenn es schnell gehen musste (Pipialarm oder so) dann wurde sie getragen.